Fürstin Gabriela zu Sayn-Wittgenstein-Sayn

Grußwort

Von Anfang an

„Alle Menschen brauchen Liebe, Kinder besonders. Sie haben ein Verlangen nach Zuwendung, Zärtlichkeit und Geborgenheit, brauchen Liebe, bedingungslose Liebe, von Anfang an. Ein Säugling mag vielleicht noch nicht unterscheiden können zwischen Milch und Zärtlichkeit, aber brauchen tut er beides. Sonst verhungert er, entweder körperlich oder seelisch.

Mütter haben instinktiv das richtige Gefühl: Ich will mein Kind lieben, egal ob es dem Vater oder mir gleicht, ob es blond und blauäugig ist, oder braune Haare und dunkle Augen hat, ich will es lieben, auch wenn es mich nachts nicht schlafen lässt oder wenn es krank ist. Ich will es lieben ohne Bedingungen, weil es ein Geschenk ist, dass es da ist. Es braucht mich und ich möchte es beim Start in das Leben begleiten.

Manchmal ist das nicht leicht. Man will ein Kind, freut sich darauf, und dann erfährt man von einer Behinderung, und die Welt bricht zusammen. Aus dem Wunschkind wird erst einmal ein Sorgenkind. Ich denke, diese Reaktion ist normal.

Aber, was beinhaltet der Begriff Behinderung? Wer hindert wen oder wird ge- oder behindert? Das englische Wort „handicapped“ klingt nicht nur sympathischer, sondern lenkt unseren Blick auf unterschiedliche Aspekte: Es bedeutet zunächst, dass man etwas nicht so gut kann wie ein anderer. Auch im Sport spricht man von einem Handicap; es ist im englischen Sprachgebrauch ein alltägliches Wort, ohne Wertung. Man kann das eigene Handicap verbessern oder dem anderen helfen, das seine zu verbessern. Und irgendein Handicap hat jeder von uns. Manch eines sieht man, es ist körperlicher Art. Man hat es von Geburt an oder es kam im Laufe des Lebens dazu. Andere haben unsichtbare Handicaps; man kann sie nur fühlen, spürt sie mit dem Herzen. Bei diesen Menschen spricht man zwar nicht von Behinderung, aber ihr Handicap beeinträchtigt sie vielleicht mehr als eine körperliche oder geistige Behinderung.

Die Katharina Kasper-Stiftung möchte auf die Lebens- und Liebeswürdigkeit jedes Menschen aufmerksam machen, denn alle Menschen sind ein Abbild Gottes, ausgestattet mit Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit Wünschen und Hoffnungen. Sie möchte zu Annahme des Lebens in seiner Vielfalt ermutigen und wir fordern die Anerkennung von Menschen mit Behinderung als wichtige Mitglieder unserer Gesellschaft, von denen wir viel lernen können und durch die unser Leben eine wertvolle Bereicherung erfahren kann.

Ich darf die Gelegenheit nutzen den Familien zu danken, die sich um ihre behinderten Kinder kümmern, auch wenn sie anfangs nicht ihrem Wunschkind entsprachen. Den Eltern, die diese Kinder annehmen und großziehen, die sicher unermessliche Opfer bringen und ihren Kindern ihre bedingungslose Liebe schenken, ihnen gilt meine besondere Achtung. Viele möchten die Zeit mit ihren Sorgenkindern später nicht missen, trotz anfänglicher Verzweiflung, mangelndem Verständnis der Umwelt und fehlender Hilfestellung.
Die vielen ehrenamtlichen Helfer der Katharina Kasper-Stiftung haben unseren Dank verdient, weil sie Familien mit behinderten Kindern mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Es muss sich noch viel in unseren Köpfen ändern, damit behindertes Leben als lebens- und liebenswertes Leben geachtet wird. Wir leben in einer Gesellschaft, die leicht der Versuchung erliegt Menschen nur nach ihrem volkswirtschaftlichen Nutzen zu beurteilen. Ein gefährliches Handicap, an dessen Verbesserung wir alle gemeinsam arbeiten müssen, damit es selbstverständlich wird, dass unseren behinderten Mitmenschen von allem die Liebe und Aufmerksamkeit geschenkt wird, die sie verdient haben, von Anfang an. „

Fürstin Gabriela zu Sayn-Wittgenstein-Sayn

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